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Nach Sanktionen gegen Weißrussland und der Corona-Pandemie verhindert jetzt auch noch der Krieg in der Ukraine einen Besuch.

Die Hilfe geht trotz Krieg weiter

OTK zieht Bilanz über ein alles andere als einfaches Jahr

Eberbach, (otk) Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf die Odenwaldhilfe für Tschernobyl-Kinder Eberbach. Besuche in Weißrussland sind für den Verein nicht möglich. Trotz aller Hindernisse geht die Arbeit weiter, laufende Projekte werden betreut und unterstützt. Für die OTK-Mitglieder geht es immer um hilfsbedürftige Menschen, die einfachen Bürger, egal welcher Nation, alte Menschen, Kinder und Menschen mit Behinderung. Auf der Jahresversammlung zogen die Mitglieder Bilanz. Eines der Projekte ist „Eberbach-Polesje“, im Jahr 2011 gegründet. Der Betrieb steht seit Juli 2019 unter neuer Leitung. Ein sehr tüchtiger belarussischer Bürger, Eugen Shevko, hat viele neuen Ideen und Möglichkeiten sie zu verwirklichen. Er selbst sitzt im Rollstuhl, aber es hindert ihn nicht aktiv zu bleiben. Außerdem ist er Vorsitzender vom Rollstuhlfahrer-Verband in Mosyr. „Er will den Betrieb weiterführen in unserem Interesse, mit dem Ziel Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu erschaffen. Er ist immer auf der Suche nach neuen Kontakten und Firmen“, erklärte Nataschas Siefert. Im letzten Jahr kam er zu einer Ausstellung von Reha-Care nach Düsseldorf. Bei dieser Gelegenheit hat die OTK eine Spende über 4000 Euro für ihr Projekt in Mosyr übergeben. Seit neuestem organisiert Shevko Schulungen für die zukünftigen Mitarbeiter und andere Interessenten für die Arbeit mit Karbon oder Kohlenstofffasern. Damit können sie leichte Kunststoffbauteile durch Spritzgussanlagen herstellen. Solche Bauteile werden in vielen Geräten und Maschinen verwendet, auch für den Bau von Rollstühlen. Mit den gespendeten Geldern haben sie eine Maschine gekauft, mit welcher Teile für die Fenstergriffe-Verlängerungen gefertigt werden. Zusätzlich werden Ersatzteile für die Rollstühle hergestellt. „Weiterhin werden viele notwendige Er-satzteile in großen Mengen, auch mit unserer Hilfe im Ausland für Rollstühle gekauft und übers Internet verkauft. In Belarus war das bisher so nicht möglich“, sagt Siefert. „Demnächst werden die Portative Wasserheizgeräte zertifiziert. Und sie werden den Namen EBER tragen“, kündigt sie an. „Sobald wir wieder nach Belarus einreisen können werden wir unsere Projekte besuchen und unsere beliebten Altennachmittage durchführen und bedürftige Menschen unterstützen. Alle warten schon.“

Mosyr wartet auf „die deutschen Freunde“

Nach Sanktionen gegen Weißrussland und der Corona-Pandemie verhindert jetzt auch noch der Krieg in der Ukraine einen Besuch.

Die Rentnernachmittage wollen Harald und Natascha Siefert auf jeden Fall fortsetzen, wenn sie wieder nach Mosyr können. Foto: privat

Von Peter Bayer

Eberbach. In Mosyr warten sie alle auf „die Deutschen“. Im Oktober 2019 waren Harald und Natascha Siefert das letzte Mal dort, um die dortigen Projekte des Förderkreis Odenwald-Hilfe für Tschernobyl-Kinder e.V. (OTK) zu besuchen und mit Spenden zu helfen. Eine für sie lange Zeit ist seither vergangen, obwohl sie ständig mit ihren Freunden in weißrussischen Mosyr in Kontakt sind. Aber eben nur telefonisch oder per WhatsApp. Ein Besuch vor Ort ist seitdem zu gefährlich, Flüge dorthin gibt es keine mehr. Erst gab es die Sanktionen nach der Wiederwahl von Präsident Lukaschenko und dessen brutalem Vorgehen gegen die Demonstranten. „Es war schwierig reinzukommen und auch zu gefährlich“, sagt Harald Siefert. Dann kam Corona und zuletzt der Krieg in der Ukraine. Mosyr ist nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt, Kiew erreicht man in zwei Autostunden. „Wir warten, bis wir wieder rüberkommen“, sagt Natascha Siegert und hofft, dass es nicht mehr zu lange dauert.

„Wir sind nicht politisch interessiert, wir wollen nur helfen“, sagen die Siefert, was sie auch den Menschen in Mosyr gesagt haben. Ihr Motto lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“. Der Kontakt und die daraus entstandene Freundschaft zum damaligen Bischof Stefan, jetzigem Erzbischof des Bezirks Gomel, hilft ihnen dabei. „Wann immer wir dort sind, übernachten wir bei ihm“, sagt Harald Siefert. „Die Kirche dort ist gut organisiert, wir haben dadurch mehr Freiheiten, bessere Kontakte zu anderen Stellen und weniger Kontrollen.“ Das Grundstück, auf dem die Behindertenwerkstätten stehen, haben sie von der Kirche bekommen.

Harald und Natascha Siefert zeigen, was die Menschen mit Behinderung in den Werkstätten so alles herstellen, auch ein Kartenset mit Eberbach-Motiven. Foto: Peter Bayer


Immer wieder wurde in der Vergangenheit über die Hilfslieferungen nach Mosyr berichtet und was dort damit erreicht wurde. Über 60 Lastzüge haben sie in den Jahren rübergeschafft, voll beladen mit Lebensmitteln, Medikamenten im Verkaufswert von über einer Million Euro, 900 Krankenhausbetten und vielem mehr. Zum Beispiel ein Ultraschallgerät für eine Kinderklinik, die sie in Mosyr eingerichtet haben. Oder für 100.000 Euro Instrumente für Augenoperationen im Krankenhaus. „Jetzt müssen die Patienten nicht mehr 320 Kilometer nach Minsk fahren, können vor Ort operiert werden“, sagt Siefert.

Verschiedene Projekte wurden angestoßen und begleitet. Immer nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Läuft das Projekt, ziehen sie sich zurück. So wie bei Raduga (Regenbogen), einem medizinischen Rehabilitationszentrum für behinderte Kinder und Jugendliche mit psychoneurologischen Erkrankungen, dessen Fortführung die Stadt Mosyr übernommen hat.

Dort dürfen die Kinder aber nur bis zum 18. Lebensjahr bleiben. „Wir haben Verbindungen zur Johannes-Diakonie in Mosbach aufgenommen. Der Schulleiter ist mit nach Belarus gefahren und hat dort gezeigt, was mit behinderten Menschen in Deutschland möglich ist.“ Beim Gegenbesuch konnten sich Verantwortliche aus Mosyr unter anderem auch im EBAZ in Eberbach überzeugen, wie Menschen mit Behinderung arbeiten können. So haben verschiedene Leute den Weg ins Berufsleben und das Projekt Nachahmer gefunden. Vor ein paar Jahren wurde per Gesetz sogar eine Behindertenquote für größere Firmen eingeführt. Die von der OTK auf den Weg gebrachte Werkstätte trägt sich inzwischen übrigens selbst. Dort werden Rollstühle repariert und bald sogar gebaut.

Mehrfach waren Ärzte aus Weißrussland hier, die in der Heidelberger Uniklinik ein bis zwei Wochen Schulungen besucht haben. Sie haben drei Wochen bei den Sieferts gewohnt, die ihnen auch das Benzin bezahlt haben. Ein gut bezahlter Arzt verdient dort nur 200 bis 300 Dollar im Monat, ein einfacher Arbeiter 500 Dollar. „Ärzte und Lehrer haben dort nicht den Stellenwert wie bei uns, viele haben einen Zweitjob, um über die Runden zu kommen“, sagt Siefert. Doch nicht nur Ärzte waren schon hier zum Gegenbesuch.“Durch die dreiwöchigen Kinderfreizeiten jedes Jahr haben wir rund 1000 Kinder in den Odenwald gebracht“, erinnert er sich gerne. Hilfreich waren hier vor allem die Sprachkenntnisse der in Kasachstan aufgewachsenen Natascha Siefert. Leider mussten sie die Freizeiten wegen der Kosten von rund 6000 Euro einstellen.

Auch die Fahrten mit Hilfsgütern gibt es nicht mehr. „Es ist zu teuer geworden“, sagt Harald Siefert. Eine Fahrt würde zwischen 3500 und 4000 Euro Kosten. Zuschüsse gibt es keine mehr und auch die Spendengelder fließen nicht mehr so. Zudem ist es jetzt auch möglich, die Ware vor Ort zu kaufen und dann dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird.

Wenn Natascha und Harald Siefert zu Besuch in Mosyr sind, haben sie einen „Fulltimejob“, der kaum Zeit zum Durchschnaufen lässt. „Wenn wir dort im Hotel sind, warten die Leute schon im Flur und tragen uns ihre Probleme vor.“ Dann versuchen sie unbürokratisch zu helfen und nutzen dazu ihre Kontakte.

Festhalten wollen sie – wenn Besuche in Mosyr wieder möglich sind – an kleineren Projekten und an den Altennachmittagen. Circa 100 bis 120 Bedürftige sind dazu immer eingeladen, die sich schon lange zuvor darauf freuen. Finanziert werden die Nachmittage von der OTK. „Die Kinder gestalten das Programm, und jeder bekommt zum Abschied ein großes Lebensmittelpaket, das er kaum tragen kann“, sagt Harald Siefert. Natürlich dürfen bei ihrem Besuch Radio und Fernsehen nicht fehlen. „Über unseren Besuch wird sogar in den Nachrichten berichtet“, sagt Siefert. Dann heißt es „Die deutschen Freunde sind wieder da!“ Auch wenn dieses Jahr der fast schon traditionelle Besuch in der Osterzeit erneut ausfallen wird, hoffen Natascha und Harald Siefert, dass sie bald wieder nach Mosyr fliegen und den Bedürftigen ein Stück weit helfen können.

Info: Die OTK unterstützt nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ seit 1991 in der Stadt Mosyr und der umliegenden Region verschiedene Einrichtungen finanziell und tatkräftig. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen. Harald und Natascha Siefert sind seit 1996 dabei und seit 2007 Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende. Spendenkonten unter www.otk-eberbach.de.